Haben Sie eine „knifflige“ Frage, zu der eine Antwort in Ihrem Arbeitsalltag nicht leicht zu finden ist? Haben Sie Lust – und Zeit – auf der Suche nach Antworten überrascht zu werden? Offen und neugierig sich auf den Weg zu machen?
Kennen Sie das Format der Lernreise? Ich kann es nur empfehlen: Für mich ergab sich die wunderbare Gelegenheit in Begleitung von Kollg:innen im Norden, die „Expedition Walross“ zu planen und durchzuführen.
„Wie bewegt man große Massen?“ war unsere gemeinsame Frage, mit der wir in diversen Projekten immer wieder konfrontiert sind. Diese Frage konnten wir letzten Montag vormittags einem Lotsen im Ruhestand im Hamburger Hafen und nachmittags in der Zooschule des Tierparks Hagenbeck stellen. In unserer Reflexion und Auswertung diskutierten wir inzwischen, welche Antworten uns individuell am stärksten beeindruckten und Impulse für unser jeweiliges Arbeitsumfeld auslösten. Wir sind damit noch nicht fertig – aber dazu später, hier erstmal unsere wichtigsten Erkenntnisse.
„Das langsamste Manöver ist das Schnellste“ betonte der ehemalige Lotse im Hamburger Hafen: Er berichtete uns von Fällen, in denen die Schlepper in Eile zu ihren riesigen Containerschiffen positioniert wurden, und das Wende-Manöver fast schief ging. Ein punktgenaues Ansetzen der Hilfskräfte dagegen verspricht Erfolg – die Zeit muss man sich einfach nehmen.
Er hat uns überrascht mit der Information, dass die Lotsen, die als ein Fahr- und ein Kommunikationslotse immer zu zweit arbeiten, „nur“ beratend an Bord der großen Containerschiffe sind: Die Verantwortung hat zu jeder Zeit der Kapitän, die Lotsen beraten aufgrund ihrer Orts- und Fachkenntnis. Dabei besteht gegenseitiges Vertrauen.
Vertrauen und Zeit sind auch im Tierpark Hagenbeck wichtige Aspekte der „Arbeit mit Massen“. Wir besuchten dort im Rahmen einer individuellen Führung Elefanten, persische Wildesel, Braunbären und das Walross.
Bei allen diesen Arten spielt das zuverlässige Verhalten der Tierpfleger:innen und das aufgebaute Vertrauensverhältnis eine wichtige Rolle, wenn die Tiere zu etwas bewegt werden sollen. Und sollten sie partout nicht wollen, dann wird die Aktion auf den nächsten Tag verschoben: kurzzeitiger Zwang zerstört bestehendes Vertrauen (und bleibt im Elefantengedächtnis z.B. lange in Erinnerung).
Die Geschichte des Tierparks ist ein weiterer sehr spannender Aspekt: Die Entwicklung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von der „Arena, in der man Tiere verwahrt und bestaunt“ zur Arche Noah für vom Aussterben bedrohte Tier hat viel Strategie und Energie gebraucht.
Unser Dialog zur Übertragung unserer Erkenntnisse ist noch nicht abgeschlossen und die Besuche wirken noch nach. Ich bin gespannt, auf welche Ideen für meine Aufgabenfelder ich noch komme in den nächsten Wochen und Monaten, mich immer wieder erinnernd an diesen wunderbaren Tag meiner Lernreise.
Für wen ist eine Lernreise etwas? Ich glaube, kindliche Neugier ist eine gute Voraussetzung. Die Freude, jemanden zu treffen, der etwas berichtet/erzählt, was man/frau noch nicht weiss – und auch nicht sofort einschätzen können muss – sondern darüber nachdenken darf. Für Menschen, die gerne alleine lernen ist es wahrscheinlich eher nichts.
Wie sind wir auf das Format der Lernreise gekommen? Eine Lernreise ist eine gute Möglichkeit sich im U von Otto Scharmer zu bewegen. Ich habe die „Theory U“ an anderer Stelle bereits kurz beschrieben, falls Sie mehr dazu wissen wollen. Einzelne inspirierende Methoden finden sich immer mal wieder in meiner Beratungspraxis, z.B. das Journaling oder „Vier Fragen an den Kunden“. Wer ein gutes Buch sucht, dem sei das „Praxisbuch für wirksame Veränderung – mit der Theorie U arbeiten“ von Cornelia Andriof empfohlen.
Zum Abschluss noch im Sinne eines PS: Wer nachvollziehen mag, wie ein Schlepper im Hamburger Hafen arbeitet kann den ehemaligen Lotsen, Herrn Römer auch im Youtube-Video sehen. Ihm liegt die Seemanns-Mission sehr am Herzen für die er Spenden sammelt.